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Die Tech Trends 2024: Das hat Gartner vergessen

Nachdem wir in Teil 1 und Teil 2 unserer Interview-Serie beleuchtet haben, welche der zehn strategischen Tech Trends von Gartner die bedeutendsten sind und welche Trends sich nicht durchsetzen werden wollen wir in Teil 3 wissen, welche Trends Gartner in seinem Hype-Cycle schlicht und ergreifend vergessen hat. Martin Giesswein, Thomas Wenninger, Markus Binder und Gerhard Kürner können diese Frage  ganz klar beantworten und wissen auch, welche der Trends uns noch in den nächsten fünf Jahren beschäftigen werden. Und sie geben einen kleinen Einblick, womit sie sich aus Unternehmersicht schon jetzt intensiv auseinandersetzen.

Alle Trends und die Meinung der Experten lesen Sie hier.

Gartners zehn strategische Tech Trends

  1. AI TRiSM (AI Trust, Risk and Security Management / KI-Vertrauen-, Risiko- und Sicherheitsmanagement)
  2. CTEM (Continuous Threat Exposure Management / kontinuierliche Gefährdungsverwaltung)
  3. Nachhaltige Technologie
  4. Platform Engineering (Plattformentwicklung)
  5. KI-gestützte Entwicklung
  6. (vertikale) Cloud-Plattformen für die Industrie
  7. Intelligente Anwendungen
  8. Demokratisierte generative KI
  9. Technologieunterstützte vernetzte Belegschaft
  10. Maschinenkunden (Machine Customers)

Martin Giesswein beim Green Business Disruption Summit 2024

Foto: Martin Giesswein bei seinem Workshop am Green Business Disruption Summit 2024 ©LSZ

Womit befassen Sie sich / befasst sich Ihr Unternehmen jetzt schon? Können Sie uns Beispiele für die Anwendungsbereiche nennen?

Martin Giesswein, Digital Humanist:

Ich selbst setze in meinen Organisationen KI zur Generierung von Texten, Lehrunterlagen, Studien, Präsentationen ein. Meine Bücher sind als KI-Chat verfügbar. Gerade im Übersetzen meiner Inhalte ist KI ein Produktivitätssprung nach Vorne und hat meine Kosten minimiert.

Thomas Wenninger, MIBA Group, COO of IT/Digitalization

  • MAIA steht für "Miba AI Assistant". Es handelt sich dabei um eine künstliche Intelligenz, die von Miba entwickelt wurde. MAIA betreibt LLMs (Language Learning Models) wie ChatGPT oder GPT4 neben anderen LLMs. Das ultimative Ziel von MAIA ist es, Benutzern bei einer Vielzahl von Aufgaben zu assistieren, prompte und genaue Antworten auf Anfragen zu liefern und sogar Diagramme oder Grafiken zu erstellen, wenn nötig. MAIA ist darauf ausgelegt, strikt den Anweisungen der Benutzer zu folgen und kann Antworten in verschiedenen Formaten liefern, einschließlich Markdown, Mermaid (für Diagramme oder Grafiken), und anderen je nach Benutzerpräferenz.
  • Quality Inspection und Machine Learning (QIML) - Hier sind bereits Anwendungen wie beispielsweise Pack Pattern Check, Part Inspection, Grooving and Toothing Check umgesetzt.

Thomas Wenninger

Foto: Thomas Wenninger am Podium bei der Production & IT in Linz 2024 (li.: Gertrude Schatzdorfer-Wölfel,Schatzdorfer Gerätebau; re.: Jimmy Heschl, Red Bull). ©LSZ

Welcher Trend fehlt in dieser Liste?

Martin Giesswein: Keiner dieser Trends wird in Österreich zu einem Wirtschaftswachstum oder größerer Nachhaltigkeit der Unternehmen führen, wenn die Manager:innnen und die Belegschaft kontinuierlich und im hohen Ausmaß auf die Technologien trainiert wird. Ich selbst halte mindestens ein KI-Training für Unternehmen pro Woche ab. Das ist die Grundlage für spätere Produktivitätsgewinne. Die ethische und persönlich-emotionale Seite ist hier ausschlaggebend. Missachtet man diese Faktum, dann kann es verständliche Widerstände gegen neue Technologien im Betrieb geben.

Thomas Wenninger: Ein weiterer KI-bezogener Trend, der in Ihrer Liste möglicherweise fehlt, ist die "Erklärbarkeit und Transparenz von KI" (Explainable AI). Dieser Trend bezieht sich auf die Entwicklung von Methoden und Techniken, die es ermöglichen, die Entscheidungen und Aktionen von KI-Systemen zu verstehen und zu interpretieren. Dies ist besonders wichtig in Bereichen, in denen KI-Entscheidungen erhebliche Auswirkungen haben können, wie z.B. im Gesundheitswesen, in der Finanzbranche oder im Rechtswesen.

Markus Binder, Hypo Tirol Bank, Leitung Niederlassung Wien:

Die Einbeziehung von ESG-Themen sowohl in die Bereiche Finanzierung, Veranlagung als auch in interne Organisationsprozesse.

Gerhard Kürner: Er wird sich wohl in der Summe der Trends verstecken: Der Change im Consumer-Behavior. Wir werden einen rapiden Consumer-Change haben hinsichtlich wie Konsument:innen agieren, wie sie sich Informationen beschaffen (Stichwort Medien, die brauche ich noch viel weniger als vorher schon) und in der Art, wie sie sich in der digitalen Welt bewegen. Denn durch persönliche KI-Varianten wird sich auch hier alles verändern. Der Bewerbungsbereich beispielsweise wird sich komplett verändern. Wir sehen jetzt schon, für 50 % der Bewerbungen der jüngeren Generation ist es ganz normal, den Lebenslauf mit ChatGPT fertig texten zu lassen. Oder wenn ich sage, ich möchte etwas reparieren, mein Fahrrad beispielsweise, dann kann ich das über eine Bilderkennung machen und sehen, wie das geht.

Mit welchem dieser von Gartner definierten Trends werden wir uns auch 2030 noch intensiv auseinandersetzen?

Martin Giesswein: CTEM als Teil der Cybersecurity. Diese wird immer einen hohen Stellenwert haben, gleichgültig in welcher Form die digitalen Systeme dann konfiguriert sind.

Thomas Wenninger: Angesichts der anhaltenden globalen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Nachhaltigkeit wird dieser Trend wahrscheinlich auch in den kommenden Jahren relevant bleiben. Technologien, die dazu beitragen können, den Energieverbrauch zu reduzieren, Emissionen zu senken und nachhaltigere Geschäftspraktiken zu fördern, werden wahrscheinlich weiterhin gefragt sein.

Gerhard Kürner beim Green Business Disruption Summit 2024

Foto: Gerhard Kürner bei seinem Workshop am Green Business Disruption Summit 2024. ©LSZ

Gerhard Kürner: Also ich würde sagen wir lassen das Wort „Trend“ weg und sagen: Wir gehen jetzt in eine neue Ära, ein neues Zeitalter mit großen Chancen und großen Gefahren.

Die strategischen Tech Trends von Gartner kurz erklärt

  1. AI TRiSMAI Trust, Risk and Security Management / KI-Vertrauen-, Risiko- und Sicherheitsmanagemen:

AI TRiSM sind Mechanismen für KI-Modelle und -Anwendungen, mit denen Unternehmen sicherstellen können, dass ihre zum Teil neu integrierten KI-Systeme gesetzeskonform, fair und zuverlässig sind und Datenschutzrichtlinien einhalten. Es ist ein „Lösungspaket, mit dem Sie die Bereitstellung von KI effektiver schützen und eine KI-Governance etablieren können.“ (Gartner)

  1. CTEMContinuous Threat Exposure Management / kontinuierliche Gefährdungsverwaltung

Bei CTEM werden fortlaufend Cyberangriffe simuliert, um zu verhindern, dass potenzielle Schwachstellen ausgenutzt werden. Das fünf-Stufen-Programm (Scoping – Discovery – Prioritization – Validation – Mobilization) geht Sicherheitsbedrohungen proaktiv an und stärkt so die Widerstandsfähigkeit von Organisationen gegenüber Cyberangriffen.

  1. Nachhaltige Technologie

Darunter versteht man laut Gartner zum einen das Framework digitaler Lösungen, die ESG-Ergebnisse vorantreiben. Zum anderen optimiert der Einsatz nachhaltiger Technologie Kosten, Energieleistung und Asset-Nutzung. „Nachhaltige Technologie ermöglicht neue Geschäftsmodelle und technologiegestützte Produkte, um Kunden einen besseren Service zu bieten.“ Autumn Stanish, Gartner Principal Analyst

  1. Platform Engineering (Plattformentwicklung)

Soll das zentrale Problem der Zusammenarbeit zwischen Softwareentwicklern und -betreibern lösen. Platform Engineering modernisiert die Bereitstellung von Unternehmenssoftware, vor allem im Bereich der digitalen Transformation von Unternehmen.

  1. KI-gestützte Entwicklung

Der Einsatz von Generativer KI in Unternehmen steht an sich nicht mehr zur Debatte. Laut Gartner wird sich der Einsatz von KI-Codierungsassistenten für Softwareeentwickler bis 2028 stark erhöhen was zur Folge hat, dass die Produktivität der Entwickler gesteigert wird. Die Frage ist dabei, welche Entwicklungstools eingesetzt werden, um das Unternehmen effektiv nach vorne zu bringen und was dabei beachtet werden muss – beispielsweise beim Einsatz von unternehmensfremden Large Language Models wie ChatGPT oder Google Bard.

  1. (vertikale) Cloud-Plattformen für die Industrie

Kombination von Software-, Plattform- und Infrastruktur (SaaS-, PaaS- und IaaS)-Funktionen, um anpassungsfähige und relevante Branchenlösungen anzubieten und Geschäftsinitiativen zu beschleunigen.

  1. Intelligente Anwendungen

Der Einsatz von KI in Apps, um eine personalisierte, adaptive Nutzeroberfächen anzubieten. Davon profitiert die User Experience und die so gewonnenen Einblicke und Erkenntnisse können von den Unternehmen für Anaylsen und Reportings genutzt werden.

  1. Demokratisierte generative KI

Laut Gartner einer der disruptivsten Trends dieses Jahrzehnts. Ein demokratischer Zugang zu Informationen und Fähigkeiten entfaltet das Potenzial, Aufgaben zu automatisieren, Produktivität zu steigern, Kosten zu senken und neue Wachstumschancen zu eröffnen.

  1. Technologieunterstützte vernetzte Belegschaft

Beschleunigung Entwicklung neuer (digitaler) Fähigkeiten für alle Positionen in einem Unternehmen sowie den Onboarding-Prozess neuer Mitarbeiter und fördert intelligenteres Arbeiten.

  1. Maschinenkunden (Machine Customers)

Dabei handelt es sich um die Möglichkeit für Unternehmen, sich ihre eigenen Kunden zu schaffen. Diese vernetzten Produkte, die sich wie Kunden verhalten können, werden zukünftig bedeutender werden als die Einführung des digitalen Handels.